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Der Léman Express

1. Eine lange aufgeschobene Zugverbindung

Im Jahr 1884 stimmte das Volk für das Projekt einer Verbindung zwischen Cornavin und Annemasse. Der grenzüberschreitende Abschnitt Eaux-Vives-Annemasse wird ab 1888 betrieben. Der Rest der Strecke wird aber nicht gebaut. Im Jahr 1912 verpflichten sich der Bund, die SBB und der Kanton Genf, die Verbindung fertigzustellen, doch die Krisen zu Beginn des 20. Jahrhunderts verzögern das Projekt. 1939 wurde es im Zuge des Ausbaus von La Praille zu einem Güterbahnhof wieder aufgenommen. Zehn Jahre danach verkehren Züge zwischen Cornavin und La Praille. Der letzte Abschnitt La Praille – Eaux-Vives ist hingegen immer noch nicht gebaut worden. Im Jahr 2001 wird die Fertigstellung und Modernisierung der grenzüberschreitenden Strecke wieder aktuell. Am 29. November 2009 stimmten 61,2 Prozent der Genfer einem Zusatzkredit zu, um die gesamte CEVA-Verbindung (Cornavin-Eaux-Vives-Annemasse) zu bauen. Nach achtjähriger Bauzeit konnte am 15. Dezember 2019 mit dem «Léman Express» das grösste regionale, grenzüberschreitende S-Bahnnetz Europas mit 230 Streckenkilometern den Betrieb aufnehmen (Stand 2022).

2. Das Projekt in einigen Schlüsselzahlen

Das CEVA-Projekt ermöglichte den Bau von fünf neuen städtischen Bahnhöfen und eine überwiegend unterirdische Streckenführung (3,7 Kilometer Tunnel, 3,6 Kilometer überdachter Einschnitt). Die Bahnhöfe wurden mit 220 Meter langen Perrons für die RER-Bahnhöfe und mit 320 Meter langen Perrons für die Hauptbahnhöfe Lancy Pont-Rouge und Genf Eaux-Vives ausgebaut. Die Infrastrukturkosten betrugen 1,6 Milliarden Franken für die Schweizer Seite und 230 Millionen Euro für die französische Seite. Es wurden 40 Züge benötigt, deren Kosten sich auf 460 Millionen Franken belaufen.

Das Netz des Léman Express umfasst eine Streckenlänge von 230 Kilometer, 45 Bahnhöfe, 6 Zuglinien und 40 interoperable Züge Zwischen Genf und Annemasse verkehren je nach Bahnhof vier bis sechs Züge pro Stunde.

Nach zwei Jahren Betrieb zählt das Netz 58 000 Fahrgäste pro Tag unter der Woche und 27 000 pro Tag am Wochenende.

Im Jahr 2035 wird ein zusätzlicher Bahnhof in Châtelaine realisiert und der Bahnhof La Plaine wird auf einen 15-Minuten-Takt umgestellt.

3. Glasbaustein als verbindendes Element

Die Gruppe «Ateliers Jean Nouvel» hat das architektonische Konzept für alle fünf neuen CEVA-Stationen entworfen. Obwohl sich Form und Grösse der einzelnen Stationen stark voneinander unterscheiden (unter anderem durch die städtische Umgebung und durch Baustellenauflagen), gibt es ein Element, das ihnen allen gemein ist: der Glasbaustein als Bauelement für Wände, Böden und Dächer. Diese grossformatigen Glasbausteine (5,40 m × 2,70 m) bestehen aus mehreren Glasschichten, die sich in ihrer Textur und ihren Eigenschaften unterscheiden. Ein bedrucktes Glasblatt in der Mitte des Elements lässt das, was sich dahinter verbirgt, verpixelt erscheinen. Da alle diese Glasbausteine ähnlich sind – vom Boden bis zur Decke und in allen Stationen – findet der Besucher dieselbe kaleidoskopartige Sicht vor, sowohl von innen als auch von aussen. Durch diese visuelle Einheit lässt sich die CEVA-Linie sofort erkennen.

4. Über das CEVA-Projekt zum Netz des Léman Express

Das Infrastrukturprojekt CEVA verbindet das schweizerische und das französische Zugnetz miteinander und bildet so ein grenzüberschreitendes Regionalnetz, den Léman Express. Von Anfang an bestand der Wille darin, eine gemeinsame Kultur zu schaffen und den Léman Express zu einem Instrument des Zusammenhalts des Grossraums Genf, einer grenzüberschreitenden Agglomeration, zu machen.

Der Léman Express stand dabei vor drei grossen Herausforderungen. Als Erstes musste man eine Interoperabilität erreichen. So waren beispielsweise eine doppelte Zulassung des Rollmaterials (Züge etc.) und die Schaffung einer gemeinsamen Identität erforderlich. Die zweite Herausforderung war der Betrieb der Linie durch die Gründung von Lémanis, einer Tochtergesellschaft von SBB und SNCF, die eine hohe Qualität des Betriebs und einheitliche Marketinganstrengungen garantiert. Die dritte Herausforderung bestand darin, eine gemeinsame Kultur zu entwickeln (z. B. durch die Ausbildung von Lokführerinnen und Lokführern oder durch Betriebsstandards).

Trotz eines komplizierten Starts (Ausfall von Zügen, Streik in Frankreich, zu wenig Lokführerinnen und Lokführer in der Schweiz, Pandemie etc.) erreicht das Netz derzeit die Fahrgastziele. Und demnächst wird die Anzahl der Züge zu den Stosszeiten erhöht werden müssen.

Die Behörden wollen dieses Grossprojekt fortsetzen, um eine noch bessere Koordination zwischen SBB und SNCF zu erreichen und ein vollständig integriertes Verkehrsnetz aufzubauen. Es werden auch Erweiterungen zur Anbindung des Flughafens oder in Richtung Bernex und St-Julien in Betracht gezogen.

5. Zufriedene Fahrgäste und vorhandenes Verbesserungspotenzial

Die Sektion Genf des Verkehrs-Club der Schweiz hat nach 18 Monaten Betrieb eine Umfrage unter den Fahrgästen des Léman Express durchgeführt. Im Allgemeinen sind die Befragten sehr zufrieden mit diesem Angebot des öffentlichen Verkehrs. Ein zentraler Punkt, der noch verbessert werden kann, ist die Beschilderung, die in diesen Grossbahnhöfen manchmal unzureichend ist. Das ist dadurch zu erklären, dass die Schweizer Grafik- und Beschilderungsstandards (SBB) für Regionalbahnhöfe angewendet werden. Deshalb wirkt die Beschilderung angesichts der Grössendimensionen dieser Stationen mangelhaft. Eine weitere Herausforderung ist der Umstand, dass es für die Perrons nicht nur eine Fahrtrichtung gibt, sondern zwei, da der Betrieb der Linien für einige Züge variiert.

Ausserdem entstehen für Personen mit eingeschränkter Mobilität manchmal Schwierigkeiten, da die Bahnhöfe noch nicht ganz barrierefrei sind bzw. kann dieser Aspekt noch verbessert werden. Es gibt also noch einige Herausforderungen, die an die verschiedenen Netzbetreiber weitergeleitet wurden und in Zukunft gelöst werden sollen.